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Was ist eigentlich ein Habitatbaum?

Das Wort Habitat kommt aus dem lateinischen und bedeutet „wohnen“.

Manche denken dabei sofort an das britische Designkaufhaus und wenn wir dieses Gedankenbild im Kopf weiterspinnen, liegen wir damit gar nicht so verkehrt.

Auch in einem Habitatbaum gibt es verschiedene „Einrichtungsstile“ die passgenau auf ganz bestimmte Arten abzielen.
Ohne Höhlen, Faulstellen, einer blättrigen Borke, Mulm oder zersetztem Holz lässt es sich nun mal nicht angenehm wohnen.

Nur dass es im Fall von Lebewesen, die auf Altbaumstrukturen angewiesen sind, nicht um die Auswahl der Vintage-Couch geht, sondern um die Bewahrung der Artenvielfalt allgemein und das Überleben stark gefährdeter Arten im Speziellen.

Das Artenspektrum reicht  von höhlenbewohnenden Vögeln, Fledermäusen, Ameisen oder Käfern bis hin zu Pilzen, Moosen und Flechten.

Ein Habitatbaum hat somit einen hohen ökologischen Wert, sieht aber meist unästhetisch aus, da durch die erforderlichen Schnittmaßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherheit, das klassische Bild eines Baumes verloren geht.

Da im Zuge des Klimawandels immer mehr Bäume kränkeln und wir der Natur täglich Flächen von über 60 ha nehmen, ohne für adäquaten Ersatz zu sorgen, muss etwas geschehen.

Als studierte Waldökologin und Baum-
sachverständige habe ich ein Konzept entworfen, dass Bürger*innen für das Thema Habitatbaum sensibilisiert und auch Kinder für ein natürliches Insektenhotel begeistern soll.


Sofa

Das Thema ist kein Neues, denn bereits vor über 200 Jahren wurde es von weitsichtigen Forstwissenschaftlern erkannt und umgesetzt (Link: Presseinformationen - Georg-August-Universität Göttingen (uni-goettingen.de))

Auch damals kam es über viele Jahrzehnte zu großen Verlusten an Altbäumen. Eine Trendwende konnte erst mit der verbindlichen Einführung von Konzepten zum Habitatbaumschutz in öffentlichen Wäldern ab den 1990er Jahren erreicht werden.

Im Bereich des behördlichen Naturschutzes hat sich in den letzten Jahren das Belassen von Habitatbäumen im öffentlichen Raum als fachliche Alternative bewährt.

Mit Nachpflanzungen von Jungbäumen wird oft Politik betrieben, doch erfüllt ein frisch gepflanzter Baum erst nach 30-40 Jahre relevante Funktionen wie Kühlungseffekte, Schattenwurf, Kohlenstoffbindung, Lärmregulation und ausgleichende Wirkungen auf das lokale Klima.

Wir können unmöglich alle kommunalen Bäume fällen, die durch den Klimawandel erkranken, aber wir können viele von ihnen umwandeln in Habitatbäume mit langjährigem Mehrwert.

Helfen Sie mit, die Artenvielfalt zu bewahren und schenken Sie Habitatbäumen einen zweiten Blick!

Ihre Baumexpertin
Baumexpertin Daniela Antoni

B.Sc. Forstwissenschaften und Waldökologie Universität Göttingen
Sachverständige für Bäume • FLL-zertifizierte Baumkontrolleurin

Habitatbaum
Habitatbaum Pilzkonsolen

Pilzkonsolen

Diese immobile Lebensform beherbergt zahlreiche Arten.
Leider wachsen sie nur an vorgeschädigten und meist älteren Bäumen. Je nach Pilzart finden sich an ihnen hochspezialisierte Käfer, die es in ihrer genetischen Vielfalt zu schützen gilt. Viele Baumpilzarten sind als sogenannte Saprophyten für die Zersetzung von organischem Material unersetzlich. Oft wird das Holz für Insekten erst durch den Pilz und seine Zersetzungstätigkeit genießbar.
Habitatbaum Flechten & Moose

Flechten & Moose

mit Flechten, Moosen und Pilzen

Diese artenreichen Mikrohabitate werden ebenfalls von spezialisierten Insektenarten besiedelt.
Da sie immobil sind, können sie nur durch aktive Förderung des Substrates geschaffen bzw. erhalten werden.

Habitatbaum Totholz

Totholz

Viele holzbewohnende Käfer gelten in Deutschland, Österreich und der Schweiz als gefährdet. Das deutet darauf hin, dass die benötigten Strukturen und Lebensräume stark gefährdet sind. Durch belassen von Baumtorsos kann dieses wichtige Substrat z.B. für Prachtkäfer, Bockkäfer und andere Arten der Roten Liste erhalten bleiben, ohne eine Gefährdung für die Verkehrssicherheit darzustellen.
Habitatbaum Faulstellen

Faulstellen

z.B. Schnellkäfer, Rosenkäfer, Juchtenkäfer, Bockkäfer
Faulstellen, sowie Mulm- und Stammhöhlen sind Lebensgrundlage für viele verschiedene Tierarten. Sowohl Nisttätigkeit, Unterschlupf als auch Nahrung werden mit ihnen zur Verfügung gestellt. Jede Höhle ist in ihrer Struktur einmalig, unterscheidet sich in ihren Eigenschaften aber ganz wesentlich von allen anderen. Sowohl Volumen, Mikroklima oder wie stark der Mulm zersetzt ist können eine Rolle spielen. Da die Arten, die auf sie angewiesen sind unterschiedliche Ansprüche haben, ist das Vorkommen von verschiedenartigen Höhlen für die Biodiversität in der Stadt sehr bedeutsam. Seltene und bedrohte Insektenarten sind auf diesen über Jahrzehnte stabilen Lebensraum angewiesen, der jedoch vermehrt nur bei alten Bäumen zu finden ist. Durch Kappungen entstehen diese Strukturen gezielt über die Jahre.
Habitatbaum Höhlen

Höhlen

z.B. Spechte, Baummarder, Eichhörnchen, Fledermäuse

Über Baumhöhlen freuen sich nicht nur Spechte, sondern auch viele andere baumhöhlenbewohnende Vogelarten. Häufige Nachmieter sind z.B. Baummarder, Eichhörnchen, Fledermäuse, Hohltauben, Stare, Wildbienen oder Hornissen.

Habitatbaum Lose Rinde

Lose Rinde

Bockkäfer, Milben, Fliegen und Wespenarten sowie Spinnen nutzen das Mikroklima von Rindentaschen und Stammverletzungen. Auch Fledermäuse können sich in ihnen verstecken. Auch lose Rinde findet sich erst bei vorgeschädigten Bäumen und wird durch die Kappung begünstigt.
Habitatbaum Käfer

Käfer

Allein bei den Käfern (Coleoptera) sind in Deutschland etwa 1.500 Arten an die vielfältigen Erscheinungsformen von Alt- und Totholz gebunden. Je weniger Altbäume wir haben, umso schwieriger wird es für sie ihr Überleben zu sichern.

Abgestorbene oder kranke Bäume stehend zu belassen, birgt viele Möglichkeiten für unsere Stadtfauna.

Ein Habitatbaum dient vielen Tieren als Wohn- und Aufzuchtstätte. So brüten Rotkehlchen, Zaunkönig und Wasseramsel gerne in abgestorbenen Stämmen. Außerdem wird das sich zersetzende Holz von den unterschiedlichsten Pilzarten als Substrat genutzt…auch Holzkäfer, Wildbienen und Holzwespen und Ameisen wissen es zu schätzen und sind teils sogar darauf angewiesen, da ihr Radius stark begrenzt ist. Die verschiedenen Insekten wiederum dienen als Nahrung für Spechte, Kleiber, Baumläufer und viele andere Vogelarten.

Das Totholz ist also voller Leben und sollte als solches unbedingt erhalten bleiben.
Mit zunehmendem Alter und Umwelteinflüssen werden Bäume nicht nur imposanter, sondern es entstehen Strukturen in und auf dem Baum die von einer Vielzahl von Lebewesen benötigt werden – diese gilt es zu bewahren.
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